Hintergrund der Affäre war zum Einen das autokratische Regime des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen-Kassel und seine Angst vor den damit ausgelösten Reaktionen in seinem Umfeld und bei seinen Untertanen. Zum Anderen hatte der Deutsche Bund die Karlsbader Beschlüsse verabschiedet, die genau diese rigorose polizeistaatliche Politik ermöglichten.
Hinzu traten besondere Ereignisse in Kurhessen: Schon Anfang 1822 war es zu einem nie aufgeklärten, plötzlichen Tod eines Lakaien des Kurprinzen Friedrich Wilhelm gekommen, den der Kurfürst als einen fehlgeschlagenen Giftmordanschlag auf seinen Sohn wertete.
Wenige Tage vor dem Beginn der Drohbriefaffäre hatte der Kurfürst den potentesten Oppositionszirkel in seinem Staat, den Schönfelder Kreis um seine Frau, Kurfürstin Auguste, von der er sich getrennt hatte, aufgelöst. Gleich anschließend begab er sich nach Nenndorf zur Erholung. Die politische Atmosphäre im Kurstaat war durch die vorangegangenen Ereignisse hoch gespannt.
In
Nenndorf erreichte ihn ein anonymer Brief, der ihn mit dem Tod
bedrohte, falls er nicht drei ultimativ gestellte Forderungen erfülle:
die Gewährung einer Verfassung, den Ausschluss seiner Mätresse von allem
Einfluss auf die Regierungsgeschäfte sowie das Unterlassen der
persönlichen körperlichen Züchtigung von Untergebenen.
Als Absender
nennt das Schreiben „Hundert Jünglinge eines Sinnes und eines
Herzens,die sich auf Leben und Tod vereinigt haben zu Deinem Untergange,
zur Befreiung ihrer leidenden Brüder von deiner Tiraney“. Das Schreiben
passte so exakt in das Feindbild des reaktionär gesinnten Landesherren,
da sich der Absender als geheimbündlerisch oder aus dem Kreis der
Burschenschaften kommend darstellte.
Der Kurfürst setzte sofort
eine Untersuchungskommission ein, die eng mit der Mainzer
Zentraluntersuchungskommission zusammenarbeitete. Die Ermittlungen
richteten sich gegen
die Mitglieder des aufgelösten Schönfelder
Kreises, einem sogenannten Illuminatenorden und andere unliebsame
Untertanen. Es erfolgten mehrere Verhaftungen. Der wahre Absender konnte
jedoch nie ermittelt werden.
Die Drohbriefaffäre stellt die
besondere kurhessische Ausprägung der Verfolgungswelle gegen
oppositionelle Kräfte dar, die in der Folge der Karlsbader Beschlüsse
ausgelöst wurde. In Kurhessen kam als besonders pikante Note in diesem
Konflikt die Mätresse des Landesherren hinzu, ein Problem, das Wilhelm
II. acht Jahre später zu seiner De-facto-Abdankung zwang. Die
Drohbriefaffäre hat die politischen Spannungen in Kurhessen merklich
erhöht und erheblich zu dem Konfliktpotential beigetragen, das dann 1830
zu einer besonders heftigen Reaktion in der Revolution führte, die zu
einer den Landesherren – für damalige Verhältnisse – besonders
beschränkenden Verfassung führte.